Als sie abends anhielten, um ihr Nachtlager aufzuschlagen, entdeckte Madu einen Baum mit hellgelben Früchten, etwa so groß wie Kokosnüsse.

»Was sind das für Früchte?«, fragte er. »Solche habe ich noch nie gesehen.«

»Man nennt sie Honigfeuer«, sagte Katún.

»Sind sie essbar?«

»Ja sind sie«, antwortete Katún. »Sie schmecken ziemlich süß, sind nur schwierig zu essen, da ihr Fruchtfleisch sehr flüssig und klebrig ist und sich nur schwer abwaschen lässt.«

Madu pflückte sich eine der Früchte, die in der Nähe des Bodes hingen.

»Ich würde sie an deiner Stelle nicht essen«, sagte Tiran zu Maahes, der jetzt auch Interesse an den Früchten gefunden hatte und sich ebenfalls eine Frucht gepflückt hatte.

»Warum nicht?«, fragte Maahes. »Wir haben Hunger und wenn sie essbar sind, warum sollten wir sie nicht essen?«

»Weil wir die Früchte nicht essen können, ohne uns mit süßem Fruchtfleisch zu beschmieren und weil wir nicht genügend Wasser dabei haben, um uns das Zeug sofort abwaschen zu können.«

»Dann klebt es halt ein bisschen, und?«

»Man nennt sie nicht umsonst Honigfeuer«, sagte Katún. »Sie sind süß wie Honig, locken aber mit ziemlicher Gewissheit Feuerameisen an.«

Madu und Maahes beobachteten die Früchte, die sie in ihren Händen hielten. 

»Ich riskiere es trotzdem«, sagte Madu schließlich. »Ich habe Hunger und mit ein paar Ameisen werde ich schon fertig. Außerdem sehe ich hier überhaupt keine.«

»Ich habe dich gewarnt«, sagte Katún und ließ ihn stehen. 

Die beiden Egit setzen sich hin und begannen mit einem kleinen Messer die harte Schale abzuschälen. 

Katún und Tiran setzten sich bewusst ein paar Schritte von ihnen weg und beobachteten sie genau.

»Pass auf, es läuft schon raus«, rief Maahes, der seinen Kameraden dabei beobachtete, wie dieser umständlich ein Loch in die Schale bohrte. Madu hob die Frucht mit beiden Händen hoch, wobei der klebrige Nektar ihm an den Unterarmen entlanglief und auf seine Beine tropfte. Er hob die Frucht an den Mund und saugte das Fruchtfleisch auf. Ein breites Grinsen spielte um seinen verschmierten Mund.

»Wie schmeckt es?«, fragte Maahes.

»Ziemlich süß, auf jeden Fall richtig lecker.«

Maahes öffnete nun auch seine Frucht und tat es seinem Bruder gleich. Kurze Zeit später klebte das süße Fruchtfleisch an ihren Beinen, Armen und in ihrem Gesicht. 

Die Dirázanti sahen sich nervös an und beobachteten misstrauisch den Boden um sich herum. 

Madu und Maahes schmatzten genüsslich, warfen die restlichen Fruchtstücke ins Feuer und schienen mit sich selbst sehr zufrieden zu sein. 

»Ich gehe los und hole mir noch eine«, meinte Madu. 

»Bring mir eine mit, ja«, rief sein Bruder ihm hinterher. 

Die beiden aßen noch vier weitere Früchte, dann bereiteten sie sich für die Nacht vor. 

Tiran und Katún achteten peinlichst darauf, dass alle Fruchtreste ordentlich verbrannt wurden, und legten sich noch weiter von den beiden entfernt hin. Natürlich hatten die beiden kein Wasser zur Verfügung, mit dem sie sich hätten waschen können und die Dirázanti weigerten sich, ihnen etwas von ihrem Vorrat abzugeben, damit sie sich damit die klebrige Masse abwaschen konnten. Doch da die Drohung sich nicht zu bewahrheiten schien, legten sie sich zufrieden schlafen. Katún und Tiran begnügten sich lediglich mit ein paar Nüssen und Bananen sowie ein bisschen Wasser. 

Nach zwei Stunden wurden sie vom Gebrüll der beiden aus dem Schlaf gerissen.

»Sie sind überall, sie fressen mich auf!«, schrie Madu und sprang wie ein Wahnsinniger herum, wobei er sich abwechselnd auf Beine, Arme und Hals schlug. Maahes teilte sein Schicksal und mit der Nachtruhe war es vorbei. 

Katún und Tiran sprangen auf, zogen ein paar der brennenden Holzscheite aus dem Feuer und besahen sich das Spektakel. Der Boden um die Egit herum war übersät mit großen roten Ameisen. Es wimmelte von ihnen und die beiden hatten keine Chance gegen diese Armee von Insekten, die sich überall an ihren Körpern verbissen hatten.

»Verflucht«, kreischte Madu. »Tut doch etwas, helft uns bitte.«

Die Dirázanti standen in einigem Abstand dabei und achteten sehr darauf, nicht die Aufmerksamkeit der Insekten auf sich zu lenken. 

»Wir können euch nicht helfen«, sagte Katún ohne viel Mitleid in der Stimme. »Wir haben euch gewarnt, aber ihr wolltet ja nicht auf uns hören.«

»Versucht, von den Ameisen wegzukommen«, sagte Tiran. »Tötet jedes Tier an euch. Wir versuchen sie abzulenken.«

Mit einer Fackel und einer Machete bewaffnet, lief er zum Baum mit den Honigfeuerfrüchten, wobei er einen großen Bogen um die beiden wild tanzenden Dummköpfe machte. Er pflückte eine Frucht und trug sie ins Lager zurück. Dann bohrte er mit einem Messer ein kleines Loch hinein, ohne das etwas herausquoll und warf die Frucht ins Gebüsch an den Rand des Lagers. 

Katún war bereits dabei, die aggressiven Ameisen mit Feuer zu vertreiben. Mehr konnten sie nicht tun und für die nächste Stunde setzen sie sich schweigend in einiger Entfernung nieder und warteten auf den Abzug der Insekten.

Diese Nacht erhielten sie nur wenig schlaf, selbst nachdem die Ameisenplage vorüber war. Schließlich schliefen sie trotz des Gejammers von Madu und Maahes ein. Am nächsten Morgen begutachtete Tiran den Zustand ihrer Begleiter. Sie waren am ganzen Körper zerstochen und wehklagten über die brennenden Wunden. Doch zumindest konnten sie laufen. 

»Verdammt, die Bisse brennen wie Feuer«, klagte Madu. 

»Urin hilft ein wenig«, bemerkte Katún trocken, der wenig Mitleid mit den beiden empfand. 

»Urin?«, fragte Madu ungläubig. »Unter keinen Umständen würde ich Urin trinken. Da halte ich lieber die Schmerzen aus.«

Tiran lachte schallend, während Katún genervt mit den Augen rollte. 

»Du sollst ihn auch nicht trinken, du Holzkopf«, sagte Katún. »Aber Urin fördert bei Insektenstichen den Heilungsprozess. Pinkel dich entweder selber an oder fange ihn in einer Schale auf und benetze damit die Bisswunden, alles klar?«

Madu starrte ihn verwirrt an und auch Maahes schaute skeptisch drein. 

»Los jetzt, wir müssen weiter«, drängte Katún zum Aufbruch und schulterte seine Ausrüstung. Die beiden Egit bissen die Zähne zusammen und folgten. 

Katún und Tiran gaben sich die größte Mühe, ihr Gejammer kommentarlos auszuhalten, doch es war eine harte Geduldsprobe. Zwei Stunden nach ihrem Aufbruch bat Maahes um eine kurze Pause und entfernte sich ein paar Schritte. Nach ein paar Minuten kam er wieder zurück.

»Und, hat es geholfen?«, fragte Tiran.

»Ja, es brennt tatsächlich nicht mehr so stark«, gab Maahes widerwillig zu.

»Dann wartet noch auf mich«, sagte Madu und verschwand ebenfalls in den Büschen. Erleichtert kam er nach ein paar Minuten wieder und für eine Weile lang konnten sie schweigsam ihre Wanderung fortsetzen.


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