Interview mit Fantasy-Autor Anthony Ryan

Ab heute dürfen sich Fans von Anthony Ryan über die Fortsetzung der Draconis Memoria-Trilogie, Das Heer des weißen Drachen, freuen. Anthony Ryan war so freundlich, mir einige Fragen über seinen Werdegang und seine Arbeit als Autor zu beantworten. Viel Spaß beim Lesen.


Heute können Ihre deutschen Fans endlich den zweiten Teil der Draconis Memoria-Trilogie Das Heer des weißen Drachen kaufen. Was war Ihre größte Herausforderung beim Schreiben des Buches?

Anthony Ryan
Foto: Anthony Ryan

Das Jonglieren von verschiedenen Charakter-Perspektiven stellt immer eine Herausforderung dar. Ein Schwerpunkt ist sicherzustellen, dass die verschiedenen Zeitlinien übereinstimmen und das die Handlung durchgehend in sich geschlossen bleibt. In Das Heer des weißen Drachen erweitert sich außerdem der Umfang der Geschichte beträchtlich, während die Charaktere in Teile der Welt reisen, die wir bisher noch nicht gesehen haben. Ich musste mich sowohl viel mehr auf die Hintergrundgeschichte konzentrieren als noch in Das Erwachen des Feuers als auch neue Umgebungen und Kulturen erfinden.

In Ihrem e-Book »collected non-fiction« erzählen Sie die Geschichte, wie Sie Das Lied des Blutes geschrieben haben. Bevor es veröffentlicht wurde, haben Sie über sechs Jahre daran geschrieben und kein Literaturagent hat sich dafür interessiert. Nun haben Sie über eine Million Bücher weltweit verkauft und Ihr deutscher Verleger ist Klett-Cotta. Wie fühlt es sich an, im selben deutschen Verlag mit Tolkien, Patrick Rothfuss und anderen bekannten Fantasy-Autoren zu sein?

Es fühlt sich immer ein wenig unwirklich an, wenn ich über meinen bisherigen Erfolg nachdenke, vermutlich weil ich so viele Jahre davon geträumt habe, dass es eines Tages tatsächlich passieren könnte. Um ehrlich zu sein, bin ich nie wirklich über die erste Überraschung hinweggekommen, als ich die erste selbstverlegte Ausgabe von Das Lied des Blutes verkauft habe. Daher fühlt sich alles, was seitdem passiert ist, wie ein Bonus an. In Bezug auf die Veröffentlichung neben anderen mehr bekannteren Autoren ist es eine einzigartige Ehre, kann aber ein »Hochstapler-Syndrom« mit sich bringen. Ich erinnere mich immer noch an mein Erstaunen, als ich herausfand, dass mein erster Lektor bei Ace/Roc in den USA, ebenfalls der Lektor von William Gibson war.

Da zuerst niemand an Das Lied des Blutes interessiert war, versuchten Sie sich als Selfpublisher. Schließlich zeigte Ace Interesse an Ihrem Buch. Mussten Sie das Manuskript noch umschreiben oder ist die selbstverlegte Ausgabe der letztendlichen Version sehr ähnlich?

Mein Lektor bat um einige Änderungen, aber sie waren im Vergleich zu einigen der redaktionellen Beiträge, die ich seitdem hatte, eher unbedeutend. Ich musste ein Kapitel um etwa tausend Wörter erweitern und ein anderes umschreiben. Aber die traditionell verlegte Ausgabe ist weitestgehend dieselbe wie die selbstverlegte Version.

Vermissen Sie manchmal die Freiheit, die man beim Selfpublishing hat?

Die guten Dinge beim Selfpublishing sind zugleich auch die Nachteile. Du hast vollkommene Kontrolle über das Design und den Inhalt deiner Arbeit, musst aber alles eigenständig machen oder Freiberufler dafür bezahlen, damit sie die Dinge erledigen, in denen du nicht so gut bist, wie z. B. Cover Illustration und Design. Es ist ebenfalls sehr ratsam einen professionellen Lektor zu engagieren, der über das Manuskript drüberschaut, sofern man es sich leisten kann, da ein Lektorat ziemlich teuer sein kann. Von dieser Perspektive aus betrachtet vermisse ich Selfpublishing nicht, obwohl ich mich weiterhin mit meinen Novellas und Kurzgeschichten damit beschäftige. Der Hauptunterschied zur traditionellen Veröffentlichung ist die Langsamkeit mit der sich alles bewegt. Normalerweise klafft zwischen der Abgabe des Manuskripts und der fertigen Ausgabe in den Bücherregalen eine Lücke von etwa zwölf Monaten.

Das epische Cover von Das Erwachen des Feuers war es, was mich auf die Geschichte neugierig machte. Auf Ihrer Website zeigen Sie all Ihre Buchcover aus der ganzen Welt. Mein persönlicher Favorit ist die chinesische Version von Rabenschatten. Was ist Ihr persönlicher Favorit?

In jedem meiner Buchcover finde ich etwas, das mir gefällt, so dass die Auswahl eines Favoriten schwierig ist. Wie dir, gefällt mir das letzte chinesische Cover der Rabenschatten-Serie sehr gut. Ich mag ebenfalls die französischen Cover des Künstlers Didier Graffet sehr, insbesondere seine Illustrationen für Lady of Crows und Legion of Flame.

Gibt es einen Cover-Designer, mit dem Sie gerne einmal zusammenarbeiten würden?

Neulich hatte ich das Glück mit einem deutschen Künstler namens Kevin Goeke an einigen meiner kürzeren selbstverlegten Werke zusammenzuarbeiten. Seine Arbeiten kann man sich hier anschauen: www.movco-art.com

Bezüglich der Künstler, mit denen ich gerne zusammenarbeiten möchte, war ich schon immer ein großer Fan des Comiczeichners Bill Sienkiewicz. Wenn er eine meiner Geschichten illustrieren würde, wäre das fantastisch. Allerdings bezweifle ich, dass ich mir das leisten kann.

Jeder gute epische Fantasyroman braucht eine Karte. Wer zeichnet Ihre Karten und wie sieht die Zusammenarbeit aus?

Ich zeichne alle meine Karten selbst, so ist die Zusammenarbeit also nicht wirklich ein Thema, obwohl die Design-Abteilung meines Verlegers manchmal Änderungen wünscht, hauptsächlich deshalb, damit der Text klarer ist. Ich zeichne eine sehr lockere Bleistiftskizze bevor ich mit dem Buch beginne und mache mir während des Schreibprozesses einige Notizen bezüglich verschiedener Ortsnamen und der Geografie. Normalerweise zeichne ich die endgültige Karte erst etwa einen Monat nach Fertigstellung des Buches. Ich verwende eine Mischung aus Bleistift und Papier und digitaler Software. Die endgültige Version meiner Karten erstelle ich dann in Adobe Illustrator.

Sie haben einen Abschluss in Geschichte. Gibt es eine bestimmte Zeitperiode, die Sie besonders interessiert und wenn ja, warum?

Ich lese meistens moderne Geschichte mit einem Schwerpunkt auf Kriegsführung und Ökonomie. Den Lauf der Ereignisse seit dem Aufkommen der Industrialisierung finde ich besonders interessant, insbesondere, weil sie den schnellsten sozialen und technologischen Wandel in der Weltgeschichte bewirkt hat, ein Tempo, das auch heute noch nicht wirklich nachgelassen hat. Jedoch versuche ich meine Interessen auch auf die Antike auszuweiten, insbesondere auf Rom und Griechenland. Die Parallelen mit der modernen Welt sind immer noch faszinierend.

Was sind Ihre momentanen Projekte?

Momentan schreibe ich ein zweibändiges Sequel zur Rabenschatten-Trilogie mit dem Titel Die Rabenklinge. Ich habe das erste Buch The Wolf’s Call im Juni beendet und werde mit dem zweiten im November beginnen.

Haben Sie noch irgendeinen Ratschlag an all die angehenden Autoren da draußen?

Ich denke, dass alle Schreibtipps sich auf drei Anweisungen reduzieren lassen: Schreibe viel, lese viel und gib niemals auf. Obwohl Talent eine Rolle dabei spielt, ist das Schreiben eine erlernbare Fertigkeit, die man viel praktizieren muss, wenn man kompetent in ihr sein möchte. Um etwas zum Schreiben zu haben, musst man zunächst Ideen besitzen, deshalb wird Lesen die Hauptquelle der Inspiration sein. Ich ermutige Autoren auch außerhalb ihres Genre zu lesen und sich nicht nur auf Fiktion zu beschränken. Viele meiner Ideen erhalte ich durch nicht-fiktive Literatur oder Dokumentationen. Was das nicht Aufgeben angeht, so ist es wichtig sich daran zu erinnern, dass jeder Schriftsteller, von dem du jemals gehört hast, jemand ist, der sich dafür entschieden hat, nicht aufzugeben. Denn jeder von ihnen wird mit ziemlicher Sicherheit an dem Punkt gewesen sein, dieser Versuchung nachzugeben.

Ich bedanke mich noch einmal ganz herzlich bei Anthony Ryan für dieses Interview. Das Heer des weißen Drachen – Draconis Memoria 2 ist ab sofort im Buchhandel erhältlich. 


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