Liebesromane pornografisch

Frauenpornos in christlichen Buchläden? Oder: Sind alle Liebesromane pornografisch?

Wusstest du, dass Instagram angefüllt ist mit Pornografie? Echt jetzt. Wir sprechen hier von mehreren Hundertmillionen Bildern und ganzen Communities. Ich gebe dir mal zwei Beispiele, über die ich (natürlich unabsichtlich) gestolpert bin. 

#foodporn hat zur Abfassungszeit dieses Artikels über 297 Millionen Beiträge (nicht zu verwechseln mit #footporn …). 

#vinylporn kommt immerhin auf 4,5 Millionen Beiträge. 

Das ist jetzt vielleicht nicht das, was du erwartet hast, als ich sagte, dass Instagram voll von Pornografie ist. Es ist klar, worum es geht. Ein Bild, dass mit #vinylporn markiert ist, wird dir sehr wahrscheinlich eine schön in Szene gesetzte Schallplatte zeigen. Was ziemlich cool ist. Ich liebe Schallplatten.

Natürlich sind solche Bilder, wie oben beschrieben, keine wirkliche Pornografie, andernfalls würden wir sie vermutlich nicht auf Instagram finden. Ich selbst würde einen solchen Hashtag nicht verwenden und finde ihn auch nicht besonders glücklich gewählt, aber ich kann nachvollziehen, was damit gemeint ist. Und wirklich stören tut es mich auch nicht. 

Wirklich gestört hat mich neulich allerdings eine andere Verknüpfung mit Pornografie, die weitaus ernster zu nehmen ist als die oben angeführten Hashtags.

#christlichefrauenpornos

Neulich hörte ich mir einen Artikel über sexuelle Reinheit aus christlich-biblischer Sicht an. Der Vortrag enthielt nichts, was ich nicht schon zig-Mal gehört hatte und im Großen und Ganzen konnte ich dem Redner auch zustimmen. Zum Ende hin sagte er jedoch etwas, das mich ziemlich aufgeregt hat. 

Zum Kontext: Der Redner sprach über Pornografie, und dass Männer und Frauen in der Regel unterschiedliche Formen von Pornos konsumieren. So weit so gut. Also nicht der Pornokonsum, sondern die allgemeine Feststellung. Du weißt, was ich meine. Der Redner erklärte: 

»Es gibt auch eine weibliche Form der Sexualität, aber die funktioniert anders. Ja, die geht nicht mit Bildern, das geht mit Einfühlungsvermögen: ›Boah, der versteht mich, der hört mir zu!‹ […] Wie sieht die weibliche Form der Pornografie aus? Ich kann es euch sagen. Ich war erst unlängst in einem Second-Hand-Laden. […] Da kam ich durch die Bücher durch und da war so ein riesen Korb mit Romanen. Vorne ein flammendes Bild drauf. Die Männer greifen sofort nach diesem Roman, denn da ist ein flammendes Bild drauf. Eine Frau, schöner geht es gar nicht und daneben noch ein schöner Mann, eng umschlungen und nur ein bisschen bekleidet, also viel zu wenig, und dann machst du das Buch auf und was ist dann da drin – nur Buchstaben. Nur Worte. Das Zeug gibt es heute noch und das wird heute noch verkauft. Aber meistens nicht an Männer. Das, ihr Lieben, ist die weibliche Form der Pornografie. Da sind diese Männer, die erobern dich, die verstehen dich. Die sind für dich da, die es leider so nicht gibt. Warum erzähle ich euch das? Dass ist sehr, sehr ernst. Ich bin fest davon überzeugt, dass die männliche Form der Pornografie es niemals auf unsere Büchertische schafft. Die Wahrheit ist aber, die weibliche Form der Pornografie hat es schon längst auf unsere Bücherregale geschafft. Ich sag nicht, dass christliche Romane per se Pornografie sind. Habt ihr das gehört? Wenn ich heute Abend nicht so ausgeglichen sein kann, seid gnädig mit mir. Ich möchte ausgewogen sein. Nicht jeder christliche Roman ist weibliche Pornografie. Aber, ganz sicher, es wird sehr viel weibliche Pornografie in christlichen Verlagen heute vermarktet. Ja, ich darf romanhaft etwas zur Ehre Gottes erzählen, dass ist überhaupt keine Frage und auch nichts Neues. Aber leider gibt es genau das, was es im Groschenroman gibt, gibt es jetzt in christlicher Form … dass gibt es längst in den christlichen Verlagen. »

Der Redner lenkte zwar ein, dass nicht alle christlichen Liebesromane pornografisch sind, aber seiner Meinung nach sind sie dennoch seit längerer Zeit fester Bestandteil der christlichen Unterhaltungsliteratur. 

Diese Aussage hat mich schon ziemlich schockiert und geärgert. 

Warum?

Weil hier meiner Meinung nach pauschal ein ganzes Buchgenre und deren Autorinnen und Leserinnen in einem falschen Licht dargestellt werden und Schuldgefühle geweckt werden, die völlig unangebracht sind. Das finde ich sehr sehr ernst.

Ich stimme mit dem Redner überein, dass es durchaus Unterschiede zwischen Pornografie, die hauptsächlich von Männern und hauptsächlich von Frauen konsumiert wird, gibt. Es ist kein Geheimnis, dass wir Männer in erster Linie von visuellen Bildern gereizt und Frauen eher auf der emotionalen Ebene angesprochen werden, wobei auch das nur Verallgemeinerungen sind. 

Aber zu behaupten, dass Liebesromane pornografisch seien, nur weil sie ein emotionales Bedürfnis bei Frauen wecken, halte ich für schlicht weg falsch, gefährlich und unfair.

Was ist Pornografie?

Wikpedia definiert Pornografie als »die direkte Darstellung der menschlichen Sexualität oder des Sexualaktes, in der Regel mit dem Ziel, den Betrachter sexuell zu erregen.«

Gemäß dieser Definition, die ich für recht brauchbar halte, zeichnet sich Pornografie durch zwei Aspekte aus: 1) es gibt einen direkte Darstellung der Sexualität oder des Sexualaktes, sei es in Bildern oder beschriebenen Worten und 2) diese Darstellung wurde bewusst mit dem Ziel erstellt, den Konsumenten sexuell zu erregen. 

Jetzt die große Quizfrage: Trifft diese Beschreibung tatsächlich auf (christliche) Liebesromane zu (denn darauf bezog sich ja der Redner)?

Das wage ich doch stark zu bezweifeln.

Jetzt mag der Einwand kommen, dass die Definition von Pornografie viel zu eng ist und manche christlichen Leser mögen mir vielleicht vorhalten, dass eine »weltliche« Instanz wie Wikipedia kaum dafür geeignet ist, um einem Christen zu erklären, was Pornografie ist und was nicht? 

Nun, der Punkt ist, dass die Bibel selbst keine Definition von Pornografie gibt, ja nicht einmal Unzucht (griechisch: porneia, woher unser Wort Pornografie kommt) in einem prägnanten Satz definiert. Die beste Definition von Unzucht – also von jenen sexuellen Handlungen, die in Gottes Augen Sünde sind – habe ich von Kevin DeYoung gehört: »Unzucht ist jegliche Form von sexuellen Handlungen, die in der Tora verboten werden.« (Bei einem Vortrag auf der E21-Konferenz)

Es ist keine Frage – und da stimme ich mit dem Redner vollkommen überein –, dass wir als Christen ein sexuell reines Leben führen sollen, wie wir es in der Bibel lesen. Daher wäre es tatsächlich zu kurz gegriffen, wenn wir als Christen sagen würden, dass nur das für uns tabu ist, was nach der Definition von Wikipedia als pornografisch gilt. 

Der Punkt ist, dass ich andere Dinge wie Pornografie benutzen kann, ohne dass die Dinge an sich schon im klassischen Sinne Pornografie wären. Ist Werbung für Unterwäsche oder Bademoden bereits Pornografie oder nicht? Gemäß dem allgemeinen Konsens in unserer Gesellschaft ist sie es nicht, aber kann ich sie wie Pornografie benutzen? Auf jeden Fall! Und diesen Punkt gilt es zu unterscheiden. 

Wenn am Samstag bei uns die Zeitung mit den Prospekten von Aldi und Co. ankommt, blättere ich sie meistens interessehalber durch, auch wenn meine Frau die Einkäufe macht. Jetzt findet sich selbst im Aldi-Prospekt dann und wann eine (nicht unattraktive) Frau, die als Model für Damenunterwäsche posiert. Ich verweile bei diesem Angebot nicht länger als ein paar Sekunden und blättere dann weiter (ehrlich). Manchmal mache ich meine Frau scherzhaft auf das Angebot aufmerksam. Die Werbung stellt in diesem Moment überhaupt kein Problem dar. Weder für mich noch für meine Frau. Jedenfalls hat meine Frau noch nie eine Szene veranstaltet, weil ich für den Bruchteil von ein paar Sekunden eine attraktive Frau in Unterwäsche gesehen habe (Im Aldi-Prospekt, meine ich). 

Warum ist das kein Problem? Weil ich einen Werbeprospekt durchgeblättert habe und kein Pornoheft! 

Ganz anders sähe die Sache jedoch aus, wenn meine Frau mich heimlich mit dem besagten Prospekt und der eben beschriebenen Werbung und heruntergelassener Hose erwischen würde. Wenn ich mich in einer solchen Situation rechtfertigen würde, dass ich mir »nur einen Prospekt anschaue«, würde die Ausrede nicht ziehen. Warum nicht?  

Weil ich in dem Moment etwas an sich Harmloses wie Pornografie benutzt habe. Und das ist ein gewaltiger Unterschied. Aldi verschickt seine Prospekte, um Produkte zu verkaufen und nicht, um Männern eine Vorlage zur Selbstbefriedigung zu liefern. 

Dasselbe dürfte auch auf christliche Romane und auf den Großteil von säkularen Romanen zutreffen. Die meisten Autorinnen und Autoren wollen eine Geschichte schreiben, um ihre Leser zu unterhalten und emotional zu berühren. Je nach Genre kann es dann mal mehr, mal weniger emotional werden. 

Liebesromane gehören zu den meist verkauften Büchern, weil Liebe nun mal so tief mit unserem Menschsein verknüpft ist. Wir alle möchten geliebt werden und sehnen uns nach einer Liebesbeziehung.

In seinem Vortrag karikierte der Redner das Genre ein wenig als er über das Einfühlungsvermögen des Helden in solchen Romanen sagte: »Boah, der versteht mich, der hört mir zu…« 

Bei ihm klang das wie etwas Außergewöhnliches. Ich dachte mir jedoch: »Ja, natürlich, ist doch vollkommen logisch!« Wenn ich einen Liebesroman schreiben wollte, würde ich den Helden natürlich attraktiv und verständnisvoll beschreiben. Natürlich muss es irgendeinen Aspekt geben, der den Helden anziehend macht. Die Leserin soll ihn ja symphatisch finden und den Schurken in der Geschichte nicht. Am Ende soll das Paar sich finden und gemeinsam glücklich werden. So funktioniert das Genre halt. 

Aber, muss das sofort ein Problem sein?

Im Laufe meines Lebens habe ich eine Menge Abenteuerromane gelesen. Ich war schon immer ein schüchterner, introvertierter Kerl und mein Leben war alles andere als spannend und ich selbst bin alles andere als ein mutiger Held. Doch wenn ich die Bücher las, fieberte ich mit. Ich war mir nicht sicher, ob ich das gleiche erleben wollte, wie die Figuren in meinen Geschichten, aber oftmals hätte ich gerne etwas von ihrem Mut und ihrer Abenteuerlust geerbt. Kann man meine vielen Stunden, die ich hinter den Buchseiten verbracht habe, als eine »Flucht vor der Realität« bezeichnen? 

Gut möglich. 

Hat es mir geschadet? Nicht unbedingt. Vielleicht denke ich im Alltag zu oft darüber nach, wie es wäre, wenn es den Jurassic Park tatsächlich geben würde, aber darüber hinaus ist mein Alltag doch recht schlicht. 

Wenn mir Bücher in der Vergangenheit geschadet haben, dann nur in den Fällen, wo es wirklich (stellenweise) pornografisch zugin. In meiner Jugendzeit habe ich einge Autoren gelesen, die ich heute nicht mehr lese, weil sie für mich an manchen Stellen zu explizit waren und sie meine Fantasie negativ beeinflusst haben. 

Aber selbst in diesen Fällen war es meines Erachtens nicht die Absicht des Autors, den Leser sexuell zu erregen, weshalb ich diese Bücher auch nicht als Pornografie bezeichnen würde. Andere Christen mögen diese Autoren wegen der Spannung lesen, ohne sich an den kurzen sexuellen Passagen zu stören. Das ist meines Erachtens eine Gewissensfrage, die jeder mit sich selbst ausmachen muss.

Liebesroman ist nicht gleich Liebesroman

Wir müssen auch bedenken, dass es im Bereich der Liebesromane eine ganze Bandbreite gibt, die bis auf die Tatsache, dass es ein Liebespaar gibt, kaum noch etwas miteinander zu tun haben. Die Bandbreite erstreckt sich von Klassikern wie Stolz und Vorurteil von Jane Austen mit überhaupt keinen sexuellen Anspielungen, geschweige denn Darstellungen, bis hin zu modernen Bestsellern wie Fifty Shades of Grey, bei denen die Leserinnen vermutlich ganz bewusst wegen des sexuellen Inhalts zum Buch greifen.

Gibt es eine weibliche Form der Pornografie? Ja, die gibt es. Frauen gucken auch Pornos, auch wenn diese von der Aufmachung vermutlich etwas anders sind als Pornos, die speziell für Männer produziert werden. Ich bin kein Experte, aber ich könnte mir beispielsweise vorstellen, dass Frauenpornos vom Stil her eher künstlerisch gehalten sind und vielleicht mehr »Story« enthalten als ein Porno, der für Männer produziert wurde. Keine Ahnung. Ich werde es jedenfalls nicht googlen.

Der Punkt ist nur, dass es sich in diesem Fall um richtige Pornografie handelt. Wenn eine Frau, egal welchen Alters, einen Liebesroman von Jane Austen, Janette Oke oder Joyo Moyes zur Hand nimmt, um sich in die Geschichte zu vertiefen, dann liest sie einen Roman aber keine Pornografie. Wenn der Redner mit seiner Aussage Recht hätte, würde das ja auch im Umkehrschluss bedeuten, dass Autorinnen von Liebesromanen Pornografie produzieren würden, selbst wenn sie keine expliziten Sexszenen schreiben. Und das ist eine krasse Anschuldigung!

In Jesaja 5,20 warnt Gott durch den Propheten, dass wir Dinge, die an sich gut sind, böse nennen und umgekehrt:

»Wehe denen, die das Böse gut nennen und das Gute böse; die Finsternis zu Licht machen und Licht zu Finsternis; die Bitteres zu Süßem machen und Süßes zu Bitterem.«

Im März dieses Jahres ging ein ähnlicher Fall durch die Presse, nachdem eine Lehrerin in Florida gefeuert wurde, weil sie Schülern der sechsten Klasse ein Bild der weltberühmten David-Statue gezeigt hatte. Auch hier wurde das Wort Pornografie völlig zu Unrecht angeführt (siehe hier: Link zum Artikel).

Im Grunde ist es eine gesellschaftliche Tragödie, dass unsere westliche Kultur einerseits eine Porno-Mentalität fördert und andererseits Dinge als pornografisch abstempelt, die dieses Label nicht verdient haben.

Manchmal wird es als kritisch angesehen, wenn Frauen Stapelweise Liebesromane lesen. Dahinter steckt häufig die Sorge, dass damit eine unrealistische Wahrnehmung in Bezug auf echte Beziehungen gefördert werden. 

Kann sein, muss aber nicht. 

Aber das Problem sind dann meines Erachtens nicht die Liebesromane an sich. Im Grunde kann das auch mit allen möglichen Arten von Literatur passieren. Ich habe beispielsweise schon mit einigen Christen zu tun gehabt, die vermutlich in ihrem ganzen Leben noch nie einen Roman zur Hand genommen haben, stattdessen aber Berge von Bibelkommentaren über die prophetischen und apokalyptischen Bücher der Bibel gelesen haben, was bei ihnen zu einer ungesunden und arg verzerrten Sicht auf die Welt geführt hat. 

Fazit: Nicht alle Liebesromane sind pornografisch

Es ist also völlig in Ordnung Liebesromane zu schreiben und zu lesen. Und wenn du jetzt Lust auf eine kleine romantische Geschichte hast, dann verweise ich dich gerne auf meine Kurzgeschichte Küss die Häuptlingstochter, die du dir hier kostenlos downloaden kannst. Wenn sie dir gefällt, würde ich mich freuen, wenn du allen deinen Freundinnen davon erzählst. 

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