Genesis und das Alter der Erde

Wie alt ist die Erde? Hat Gott die Erde in einer buchstäblichen 7-Tage-Woche erschaffen, wie es der Text aus 1. Mose 1 nahelegt?

Diese Fragen haben schon unzählige Diskussionen hervorgebracht und bei kaum einer anderen Frage gehen die Antworten so extrem auseinander, dass eine vernünftige Diskussion über das Thema oftmals nicht möglich ist. Auf der einen Seite haben wir Atheisten, die Gottes Existenz vehement leugnen und davon ausgehen, dass unser Universum mehrere Milliarden Jahre alt ist. Ihnen gegenüber stehen Christen, die davon ausgehen, dass unser Universum von einem persönlichen Schöpfergott vor wenigen tausend Jahren geschaffen wurde. Kein Wunder, dass diese gegensätzlichen Meinungen für ordentlich Zündstoff sorgen.

Mir soll es in diesem Artikel jedoch nicht um diese Debatte gehen. Da ich Christ aus Überzeugung bin, schließe ich das atheistische Weltbild aus. Logisch. Doch die Frage nach dem Alter der Erde und wie man den biblischen Schöpfungsbericht zu verstehen hat, verbleiben – und sorgen auch unter Christen für reichhaltige Diskussionen.

In den letzten zehn Jahren habe ich mich viel mit diesen Fragen auseinandergesetzt, weil ich für mich Antworten brauchte. Einerseits habe ich während meines Theologiestudiums so viel über die Bibel gelernt, dass mein Vertrauen in sie als Gottes Wort zunehmend gefestigt wurde. Andererseits hat mein Interesse für die Natur (insbesondere für Dinosaurier) viele Fragen aufgeworfen und Zweifel an meiner bisherigen Auffassung von einer jungen Erde aufkommen lassen, bis ich sie schließlich ganz aufgegeben habe.

Ich gehe davon aus, dass es vielen (jungen) Christen ähnlich geht. Ich denke da beispielsweise an einen christlichen Studenten, der im Gemeindekontext aufgewachsen ist und sich selbst als bibeltreu bezeichnet, aber als Biologie- oder Physikstudent Entdeckungen macht, die er nicht mit einer jungen Erde vereinbaren kann. Er ist sowohl von der Bibel als auch von seinen naturwissenschaftlichen Beobachtungen überzeugt und fragt sich, ob es einen echten Widerspruch zwischen beidem gibt?

Nach der christlichen Weltanschauung hat Gott sich uns Menschen sowohl in der Schöpfung als auch in der Bibel offenbart. Ersteres nennt man die allgemeine Offenbarung, die allen Menschen gleichermaßen zugänglich ist, während Letztere spezielle Offenbarung genannt wird, die wir nur in der Bibel finden.

Da Gott die Wahrheit ist, widerspricht er sich nicht selbst (vgl. Titus 1,2 und Hebräer 6,18). Jetzt scheint es jedoch für viele einen Widerspruch zwischen dem zu geben, was die Bibel in Bezug auf die Schöpfung und das Alter der Erde sagt und dem, was die Naturwissenschaften zu diesem Thema zu sagen haben.

Das Bild scheint also nicht stimmig zu sein und es stellt sich die Frage, wo der Fehler liegt?

Vertreter einer jungen Erde – wir sprechen hier von 6.000 bis 12.000 Jahren – sehen den Fehler in der falschen Interpretation der wissenschaftlichen Daten. Der Bibeltext in 1. Mose scheint klar zu sein: Gott hat das Universum und die Erde, wie wir sie heute kennen innerhalb von sechs buchstäblichen 24-Stunden-Tagen geschaffen. Daran lässt sich nicht rütteln, daher müssen die geologischen Interpretationen, die von mehreren Millionen Jahren ausgehen, falsch sein.

Vertreter einer alten Erde – wir sprechen hier von mehreren Milliarden Jahren – stellen eine andere Frage: Könnte es sein, dass der biblische Bericht anders zu interpretieren ist, weil die wissenschaftlichen Daten sich nicht mit einer buchstäblichen 7-Tage-Schöpfung in Einklang bringen lassen – und Gott sich nicht widerspricht?

Bei vielen Vertretern einer jungen Erde läuten bei diesen Überlegungen schon alle Alarmglocken, weil es zu sehr nach Bibelkritik klingt. Verbunden damit ist die Sorge, dass es hier bei 1. Mose seinen Anfang nimmt und dazu führt, dass andere Lehren des Christentums geleugnet oder umgedeutet werden, wie beispielsweise die Auferstehung Jesu – ein zentraler Bestandteil des christlichen Glaubens.

So schreibt beispielsweise Pastor John MacArthur, der sowohl in konservativen Kreisen in Amerika als auch in Deutschland bekannt ist, bezüglich Christen, die von einer alten Erde ausgehen:

»Was Anhänger der ›Alten-Erde-Theorie‹ (zum Großteil auch die Evangelikalen) mit 1. Mose 1-3 machen, ist genau das, was religiös Liberale schon immer mit der Bibel gemacht haben: sie geben dem Text eine allegorische Bedeutung und interpretieren ihn auf ihre Weise neu, damit der Text dann das aussagt, was sie von ihm ausgesagt haben wollen … man beschreitet einen gefährlichen Weg, wenn man so mit der Bibel umgeht. Außerdem kapituliert man so eigenmächtig und unnötigerweise von den religiösen Annahmen der Naturalisten – ganz zu schweigen von der großen Schande, die man Gott damit bereitet. Evangelikale, die eine ›Alte-Erde‹-Interpretation akzeptieren, haben sich bereits mit einer Art der Bibelauslegung vereinigt, die dem Wort Gottes feindlich gegenübersteht. Sie übertragen eine Methode der Schriftauslegung auf die ersten Kapitel der Bibel, in der auf anti-evangelikales Gedankengut eingebunden ist. Wer solch eine Art der Annäherung an die Schrift übernommen hat, hat sich bereits in einen Prozess einbinden lassen, der den Glauben unweigerlich über Bord wirft.«[1]

Meines Erachtens ist diese Sorge unbegründet, da es in der ganzen Kirchengeschichte viele Christen gegeben hat, die den Schöpfungsbericht nicht im Sinne einer 7-Tage-Woche ausgelegt haben und trotzdem bibeltreue Christen waren (siehe hier mein Artikel: Wie haben Christen den biblischen Schöpfungsbericht interpretiert? 6 Beispiele aus 2.000 Jahren Kirchengeschichte).

Ich würde mich jedenfalls in keine dieser Schubladen stecken lassen. Ich bin alles andere als bibelkritisch und auch nicht wissenschaftsfeindlich. Wenn ich als Christ von der Wahrheit meines Glaubens überzeugt bin, kann ich auch davon ausgehen, dass mein Standpunkt einer kritischen, aber fairen Überprüfung standhält. Daher muss ich kritische Anfragen an mein christliches Weltbild nicht argwöhnisch betrachten, sondern darf sie als Gelegenheit sehen, meine eigene Überzeugung auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Aber ich schweife ein wenig ab …

Warum gehe ich also von einer alten Erde aus und bin davon überzeugt, dass es keinen Widerspruch mit der Bibel gibt? Oder anders gefragt: Warum bin ich jetzt kein Junge-Erde-Kreationist mehr, wie ich es noch vor zehn Jahren war? Was hat mich zum Umdenken gebracht?

Im Grunde waren es zwei Dinge, die ich mehr oder weniger parallel für mich geprüft habe:

  1. Ein besseres Verständnis vom biblischen Schöpfungsbericht
  2. Eine kritische Auseinandersetzung mit den geologischen Daten

Da ich Theologe und kein Geologe bin, kann ich mehr zur Auslegung des biblischen Schöpfungsberichtes schreiben als zur Bewertung der geologischen Daten. In diesem Artikel konzentriere ich mich daher nur auf die Frage, wie wir den Schöpfungsbericht aus 1. Mose, auch Genesis genannt, in seinem historischen Kontext zu verstehen haben.

Der biblische Schöpfungsbericht im Kontext betrachtet

Einer der Hauptgründe, warum ich von einer buchstäblichen 7-Tage-Woche abgewichen bin, ist, dass nach dieser Sichtweise der biblische und heilsgeschichtliche Kontext viel zu wenig berücksichtigt wird. Gerade bei den Hardlinern unter den Junge-Erde-Kreationisten habe ich den Eindruck, dass der Schöpfungsbericht ausschließlich im Kontext der Darwin-Debatte diskutiert wird und zu wenig die Frage nach dem ursprünglichen Kontext gestellt wird.

Wer hat Genesis geschrieben?

Gehen wir also der Frage nach dem eigentlichen Kontext nach. Wie bereits gesagt bin ich ein konservativer Theologe – im Gegensatz zu einem Vertreter der liberalen Theologie – daher gehe ich von der traditionellen jüdischen und christlichen Sichtweise aus, dass Mose das Buch Genesis geschrieben hat und auch der Schöpfungsbericht auf ihn zurückgeht (zumindest in der ersten, ursprünglichen Fassung; selbst in biblisch-konservativen Kreisen ist es Fakt, dass die Thora im Laufe der jüdischen Geschichte leicht verändert und angepasst wurde, was schon alleine daher notwendig war, dass Mose in Alt-hebräisch schrieb und nicht in dem Hebräisch zur Zeit eines Esra, einige Jahrhunderte später. Aber wir sprechen hier von minimalen Anpassungen und nicht von verschiedenen theologischen Schulen, die alle ihre eigene Vorstellungen über Opfer, Priester, usw. einbrachten). Nach dem biblischen Zeugnis ist Mose der Autor des Pentateuchs (der ersten 5 Bücher der Bibel) und es gibt keinen guten Grund, seine Autorschaft anzuzweifeln (vgl. 2Chr 25,4; Esra 6,18; Mt 19,7; Joh 5,46; 7,23).

Wer waren die ersten Empfänger?

Gehen wir von Mose als Autor aus, dann waren die ersten Empfänger die Israeliten, kurz nachdem sie aus der Sklaverei in Ägypten geflohen waren. Während der 40-jährigen Pause in der Wüste hatte Mose genug Zeit, um das Material zu schreiben, das wir heute als die fünf Bücher Mose kennen. Von dem, was wir wissen, war Mose kompetent genug, um ein Werk wie die Genesis zu schreiben.

Wir müssen uns insbesondere die Situation des Volkes damals vor Augen halten. Sie besaßen noch ihre eigene Identität als Nachkommen Abrahams und als Hebräer. Anhand der Zehn Plagen und Gottes wundersamen Eingreifen beim Auszug aus Ägypten hatten sie Jahwes Macht kennengelernt. Darüber hinaus kannten sie wahrscheinlich nur Bruchstücke ihrer eigenen Geschichte, die Geschichte ihrer berühmten Vorfahren Abraham, Isaak und Jakob.

Doch in den letzten Jahrhunderten hatten sie als Sklaven in Ägypten gelebt, einem Volk mit einem völlig anderen Gottes- und Weltbild. Und nun waren sie auf dem Weg ins Land Kanaan, wobei die Kanaaniter wiederum ihre eigenen Götter und Kulte hatten.

Kurz: Israel brauchte eine Geschichte. Wenn sie als Volk Gottes in dieser Welt leben sollten, mussten sie wissen, wo sie herkamen – und vor allem, wer ihr Gott war. Das beinhaltete auch die Frage nach der Entstehung der Welt, die Schöpfung des Menschen, usw. Der Alttestamentler Bruce K. Waltke schreibt dazu:

»Mose, der Begründer der israelischen Theokratie, ist angesichts der Allgegenwart heidnischer Glaubensvorstellungen kein Narr; er verlässt die neue Nation nicht ohne eine Schöpfungserzählung, eine Kosmologie, die den mythischen Weltanschauungen entgegenwirken soll.«[2]

Alle Völker im damaligen Nahen Osten hatten ihre Schöpfungsgeschichten. Das bekannteste ist das babylonische Gilgamesch-Epos und auch aus Ägypten sind uns einige Schöpfungsgeschichten überliefert. Es ist anzunehmen, dass diese Schöpfungsmythen in der damaligen Welt so verbreitet waren, wie heute der Darwinismus. Was Israel als Gottes Volk brauchte, war eine eigene Schöpfungsgeschichte. Und die hat Mose ihnen geliefert.

Der Aufbau von 1. Mose

Dabei ging er recht geschickt vor. Wer sich ein bisschen mit 1. Mose auskennt, der weiß, dass das ganze Buch durch die sogenannten zehn Toledot-Formeln gegliedert ist. Das hebräische Wort Toledot lässt sich übersetzen mit »Dies ist die Geschichte von …« oder »Dies ist die Generationenfolge von …«. Mit dem Toledot wird ein neuer Abschnitt innerhalb des Buches eingeführt, wobei dann die Geschichte der jeweiligen Nachkommen erzählt wird.

  • Dies ist die Entstehungsgeschichte [toledot] des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden (1Mo 2,4)
  • Dies ist das Buch der Generationenfolge [toledot] Adams (1Mo 5,1)
  • Dies ist die Generationenfolge Noahs (1Mo 6,9)
  • Und dies ist die Generationenenfolge der Söhne Noahs: Sem, Ham und Jafet (1Mo 10,1)
  • Das ist die Generationenfolge Sems (1Mo 11,10)
  • Und das ist die Generationenfolge Terachs (1Mo 11,27)
  • Und dies sind die Namen der Söhne Ismaels mit ihren Namen, nach ihrer Generationenfolge (1Mo 25,13)
  • Das ist die Generationenfolge Isaaks, des Sohnes Abrahams (1Mo 25,19)
  • Und dies ist die Generationenfolge Esaus, das ist Edom (1Mo 36,1)
  • Dies ist die Generationenfolge Esaus, des Vaters von Edom, auf dem Gebirge Seir (1Mo 36,9)
  • Dies ist die Geschichte [toledot] Jakobs (1Mo 37,2)

Das erste Toledot in Genesis 2,4 beschreibt die Geschichte von der Schöpfung. Alles Vorherige ist gewissermaßen der Prolog, die Einleitung, zunächst für das Buch Genesis, aber im weiteren Kontext auch für die ganze Bibel.

Oftmals wird das Buch Genesis auch in die sogenannte Urgeschichte (Kapitel 1-11) und die Patriarchengeschichte (Kapitel 12-50) eingeteilt. Im ersten Teil lesen wir von Schöpfung, Sündenfall, Noah und der Sintflut und dem Turmbau zu Babel (um nur die Highlights zu erwähnen). Kapitel 12 beginnt dann mit der Berufung Abrams, der später zu Abraham wird.

Viele liberale Zeitgenossen würden dem ganzen Buch seine Historizität absprechen. Andere würden nicht so weit gehen, halten jedoch zumindest die Urgeschichte für nicht historisch, sondern würden sie auf eine Stufe mit den heidnischen Schöpfungsmythen stellen.

Die Toledot-Struktur zeigt jedoch, dass der Autor keinen Unterschied zwischen Mythos und tatsächlicher Geschichte macht. Adam und Eva werden genauso als historische Personen angesehen, wie Abraham, Isaak und Jakob. Die Patriarchen gehörten zu Israels eigener Geschichte als Volk. Jakob war nicht der Stammvater der Philister oder Babylonier, sondern von Israel.

Doch Israels Geschichte begann nicht erst mit Jakob, sondern bereits mit seinem Großvater, Abraham, den Gott sich aus allen Völkern erwählte, um ein Segen für die Nationen zu sein (vgl. 1Mo 12,1-3). Doch gleichzeitig war Israel auch Teil der Menschheit. Daher reichte es für sie nicht einfach aus, nur ihre Volksgeschichte zu haben, sondern sie mussten sich selbst als Menschen in der Beziehung zu Gott und den anderen Völkern verstehen.

Es ging um die grundlegenden Fragen der Menschheit: Wer sind wir, woher kommen wir und warum sind wir hier? Daher beginnt die Bibel zunächst mit dem Schöpfungsbericht. Und für die damaligen Leser sollte vor allem eins deutlich werden: Derselbe Gott, der uns aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat, hat auch den Himmel und die Erde gemacht.

Das heißt, dass biblisch betrachtet, der Schöpfungsbericht als Tatsachenbericht verstanden werden will, auch wenn dieser Bericht den kulturellen Stempel der damaligen Zeit trägt.

Die Literaturgattung von 1. Mose 1 und 2

Wenn wir uns nun den Schöpfungsbericht aus den ersten Kapiteln anschauen, wird ersichtlich, dass er von der Literaturgattung her kein wissenschaftlicher Text aus dem 21. Jahrhundert ist (oder nicht einmal aus dem 19. und 20. Jahrhundert) – dass will und kann er gar nicht sein. Aufmerksame Bibelleser müssen zugeben, dass die ersten beiden Kapitel in 1. Mose sich literarisch selbst von den Erzähltexten der späteren Kapitel unterscheiden.

Um dem Text gerecht zu werden müssen wir also die Frage klären, mit welcher Literaturgattung wir es hier zu tun haben.

Manche haben den Gedanken befürwortet, dass wir es in Genesis 1 mit einer Art Lied zu tun haben – sozusagen ein poetischer Text, der die Schöpfung besingt. So schreibt Pastor Tim Keller in seinem Bestseller Warum Gott?:

»Ich glaube, dass 1. Mose 1 seinem Charakter nach poetisch ist; es ist ein ›Lied‹ über das Wunder und den Sinn von Gottes Schöpfung. 1. Mose 2 dagegen ist ein Bericht über das, was damals geschah und wie es geschah.«[3]

Doch Alttestamentler wie Bruce K. Waltke haben überzeugend nachgewiesen, dass der Schöpfungsbericht sich von der hebräischen Poesie, wie wir sie zuhauf in den Psalmen finden, zu stark unterscheidet (Man vergleiche nur einmal 1. Mose 1 und 2 mit Psalm 8 und Psalm 104, die beide die Schöpfung zum Inhalt haben).

Wenn es also weder ein klassischer Erzähltext ist, noch klassische Poesie, was ist es dann?

Die beste Antwort ist meines Erachtens, dass wir es hier mit einer Kosmologie zu tun haben, also einem Text, der die Entstehung des Kosmos in der Sprache der jeweiligen Kultur erzählt. Konkret gesagt, ist der biblische Schöpfungsbericht eine Kosmologie aus der Sicht eines Orientalen der Antike. Bruce Waltke schreibt dazu:

»Die Bibel ist nicht mit der Weltanschauung des 21. Jahrhunderts vom Himmel gefallen, genauso wenig wie sie ursprünglich im himmlischen Gewand der King James Bibel zu uns kam. Die Bibel hat ihren Ursprung nicht nur in einer altorientalischen Sprache, sondern auch im Gewand der altorientalischen Literatur.« (Waltke, S. 195)

Einerseits ist der biblische Schöpfungsbericht geprägt durch die damalige kulturelle Sicht auf die Welt, andererseits unterscheidet der biblische Schöpfungsbericht sich radikal von all den anderen Schöpfungserzählungen, die uns heute zugänglich sind – insbesondere in der Theologie!

Die Theologie des Schöpfungsberichtes

Hier habe ich dir die wichtigsten Unterschiede aufgelistet:

  • Im Vergleich zu den anderen Schöpfungsberichten ist der biblische Bericht verhältnismäßig kurz und ziemlich nüchtern gehalten (Wenn du mal ins Gilgamesch Epos reinlesen möchtest, kannst du das über diesen Link tun: Gilgamesch Epos)
  • Die Schöpfung ist das Werk von einem Gott, Jahwe, und nicht das Ergebnis mehrerer Götter. Es gibt auch keinen »Götterkampf«, der für die anderen Schöpfungsberichte so zentral ist.
  • Die Schöpfung ist bewusster Willensakt Gottes. Gott spricht und es geschieht.
  • Gott regiert souverän über das Chaos und schafft Ordnung.
  • Die Schöpfung ist gut. Sie erhält von Gott das Prädikat »sehr gut«. Die materielle Welt ist keineswegs böse, sondern gut. Sie ist aber auch nicht göttlich. Gott steht außerhalb seiner Schöpfung. So ist es kein Zufall, dass Sonne und Mond nicht namentlich erwähnt werden, sondern wir nur von »den großen Lichtern« lesen. Israels Nachbarn vergötterten Sonne und Mond, doch Mose verdeutlicht, dass sie lediglich Aspekte von Gottes guter Schöpfung sind.
  • Gott erschafft alles und in gewissen Paaren: Land und Meer, Tag und Nacht, Pflanzen und Tiere. Es gibt eine Vielfalt, die sich wunderbar ergänzt.
  • Gott erschafft den Menschen in seinem Ebenbild, damit sie in seinem Auftrag seine gute Schöpfung verwalten. Die Tatsache, dass Mann und Frau im Ebenbild Gottes geschaffen sind und sich auf alle Menschen bezieht, ist einzigartig. Nirgendwo sonst finden wir dieses Menschenbild.

Als Mose den biblischen Schöpfungsbericht unter der Leitung des Heiligen Geistes niederschrieb, war die Frage nach dem Alter der Erde überhaupt nicht relevant – viel wichtiger war die grundlegende Frage, welcher Gott die Erde geschaffen hat, wie sein Wesen ist und wie er zu seiner Schöpfung und uns Menschen steht. Und genau diese Fragen beantwortet Mose in Genesis (und der Rest der Bibel).

Der Alttestamentler Victor P. Hamilton schreibt in seinem Kommentar zu 1. Mose:

»Es geht nicht um eine religiöse (israelische) oder eine säkulare (nicht-israelische) Sichtweise. In der antiken Welt gab es keine Charles Darwins, die von nicht-theistischen Voraussetzungen ausgingen. Die Autoren von Werken wie dem Gilgamesch-Epos oder dem Atrahasis-Epos waren kaum säkular, humanistisch oder agnostisch. In diesen Schöpfungsmythen liegt der Schwerpunkt eher auf der Zeugung als auf der Schöpfung und eher auf der Genealogie der Götter (Theogonie) als auf der Natur (Kosmogonie). Gen. 1 wurde zumindest teilweise geschrieben, um eine Alternative zu dieser Weltanschauung zu präsentieren. Das Anliegen des Verfassers war also theologischer und historischer Natur – was geschah und warum, und was das nun für uns bedeutet?«[4]

Der Theologe Michael Horton ergänzt diese Sichtweise, wenn er schreibt:

»Die Anfangskapitel der Genesis sind daher nicht als unabhängiger Bericht über die Ursprünge gedacht, sondern als Präambel und historischer Prolog zum Bundesschluss zwischen Jahwe und seinem Bundesvolk. Die angemessene Antwort ist Anbetung: ›Erkennt, dass der HERR Gott ist! Er hat uns gemacht und nicht wir selbst – sein Volk und die Herde seiner Weide.‹ (Ps 100,3). Wir haben den Bundeskontext und die Absicht der Genesis missverstanden, wenn wir mit Fragen an den Text herantreten, die er nicht anspricht, und ihn zwingen, sich zu Dingen zu äußern, die den Rahmen sprengen.«[5]

Wie sollen wir die 7-Tage Woche verstehen?

Doch die Frage bleibt, wie man die 7-Tage zu verstehen hat? Verfechter einer jungen Erde weisen gerne darauf hin, dass das hebräische Wort für Tag (yom) für gewöhnlich einen 24-Stunden-Tag meint.

Meines Wissens wird das auch nicht von Vertretern einer alten Erde angezweifelt. Der Punkt ist nur, dass es mehr als schwierig ist, hier auf die buchstäbliche Bedeutung zu beharren. Zwei Probleme tauchen nämlich auf:

2 Probleme mit einer buchstäblichen 7-Tage Woche

1. In Genesis 1 finden wir zwar 7 Schöpfungstage, aber keine natürliche Abfolge der Ereignisse, so wie wir heute einen »normalen« Tag bezeichnen würden. Am ersten Schöpfungstag scheidet Gott Licht von Finsternis und nennt es einen »Tag«, obwohl Sonne und Mond erst am vierten Schöpfungstag geschaffen wurden. Selbst die Pflanzen wurden nach dem biblischen Schöpfungsbericht am dritten Tag geschaffen, noch bevor es die Sonne gab, obwohl Erstere doch von Letzterer abhängig sind.

Bei genauerer Betrachtung ergibt die Struktur von 1. Mose 1 folgendes Bild:[6]

 Ort Bewohner
1. Licht und Finsternis4. Lichter des Tages und der Nacht
2. Meer und Himmel5. Fische und Vögel
3. Fruchtbare Erde6. Landtiere und Menschen

Die Anordnung der 7 Tage ist weniger chronologisch, sondern eher thematisch zu verstehen. In den ersten drei Schöpfungstagen wird der Lebensraum geschaffen und dann parallel dazu wird er entsprechend mit Leben gefüllt (natürlich macht diese Anordnung irgendwo auch Sinn, aber es ist fraglich, ob die Abfolge streng chronologisch zu verstehen ist).

2. Das vielleicht größte Problem ist jedoch, dass nur wenige Verse später, die Schöpfungswoche auf einen Tag reduziert wird: »An dem Tag, als Gott, der HERR, Erde und Himmel machte« (1Mo 2,5). In 1. Mose 1 ist von sechs Schöpfungstagen die Rede, hier jedoch nur von einem Tag.

Obwohl der Bibeltext also einerseits von einem normalen 24-Stunden Tag spricht, deutet er gleichzeitig an, dass er nicht unbedingt wortwörtlich so verstanden werden will. Daher stellt sich nun natürlich die Frage, wie wir den Text dann auslegen sollen?

Mögliche Auslegungsvorschläge

Im Laufe der Zeit wurden verschiedene Alternativen vorgeschlagen. Da gibt es die sogenannte Gap-Theorie (Lücken-Theorie) nach der es zwischen 1. Mose 1,1 und und 1,2 eine riesige zeitliche Lücke gab (in der meistens der Fall Satans verortet wird). Andere gehen davon aus, dass die einzelnen Schöpfungstage längere Zeiträume umfasst (Jahrmillionen), weil an anderen biblischen Stellen gesagt wird, dass für Gott ein Tag wie tausend Jahre ist (vgl. Ps 90). Wiederum andere befürworten die Auslegung, dass die 7 Tage sich nur auf die Gestaltung des Garten Eden beziehen.

Keine dieser Varianten überzeugt mich wirklich. Am sinnvollsten scheint mir folgende Auslegung zu sein: Gott wählte ein passendes Bild aus der Erfahrungswelt von uns Menschen, um sein Schöpfungshandeln zu beschreiben – die Arbeit. So wie er später sein Heilshandeln in vielen kulturellen Bildern der damaligen Welt beschrieb (beispielsweise das eines fürsorglichen Hirte oder eines Kriegers), beschrieb er die Erschaffung des Kosmos, indem er sich selbst als Arbeiter oder Künstler darstellte. Diese Auslegung wird m.E. durch zwei gute Gründe gestützt:

Einerseits unterstreicht es den wichtigen theologischen Punkt, nach dem Arbeit grundsätzlich gut ist. Gott ist sich nicht zu schade, um zu arbeiten, und hat den Rhythmus von Arbeit und Ruhe in seine Schöpfung hineingelegt. Nachdem er sein Schöpfungswerk vollendet hatte, legte er die Verantwortung in unsere Hände. Gott hat uns in seinem Ebenbild geschaffen, was konkret bedeutet, dass wir als seine Vizeregenten die Erde verwalten sollen. Adam sollte den Garten Eden, in den er gesetzt wurde, bebauen und bewahren (vgl. 1Mo 1,27-28 und 2,15). Das ist unser grundlegender Auftrag an uns Menschen (Wie das konkret aussieht, liest du in dem Buch Called to create von Jordan Raynor, das bald in deutsch erhältlich ist). Die 7-Tage-Schöpfung ist meines Erachtens daher in einem theologisch-analogischen Sinn zu verstehen.

Der zweite Grund, warum ich glaube, dass wir den biblischen Schöpfungsbericht so verstehen sollten, ist pragmatischer Natur. Nach ihrem Selbstverständnis ist die Bibel das Wort Gottes an uns Menschen und hat ein ganz konkretes Ziel:

»Denn alles, was in der Schrift steht, ist von Gottes Geist eingegeben, und dementsprechend groß ist auch der Nutzen der Schrift: Sie unterrichtet in der Wahrheit, deckt Schuld auf, bringt auf den richtigen Weg und erzieht zu einem Leben nach Gottes Willen.« (2Tim 3,16-17, NGÜ).

Gott gab uns die Bibel aus einem bestimmten Grund. Wir sollen ihn kennenlernen und lernen, was es bedeutet, nach seinen Maßstäben zu leben. Damit dieses Ziel erreicht wird, muss die Botschaft auch verstanden werden. Auch wenn es in der Bibel einige schwierige Stellen gibt, so ist die Hauptbotschaft der Bibel von Gottes Erlösungsplan und vieles darüber hinaus so geschrieben, dass es in den nachfolgenden Jahrhunderten von allen möglichen Kulturen verstanden werden konnte.

Die Art und Weise, wie der biblische Schöpfungsbericht geschrieben wurde, ist – so behaupte ich – für nahezu alle Menschen verständlich. Die Botschaft, dass ein souveräner Schöpfergott aus freiem Antrieb unsere Erde so schuf, dass wir Menschen auf ihr leben und uns entfalten können ist für jeden Menschen nachvollziehbar – völlig egal, ob es sich dabei um Hebräer im Jahr 1500 v.Chr. handelt, um 5. Klässler im 21. Jahrhundert oder um Eingeborene in Afrika.

Mein Fazit

Hat Gott die Welt in einer buchstäblichen 7-Tage-Woche geschaffen oder nicht? Dass er dazu durchaus fähig wäre, bestreiten weder Vertreter einer jungen noch einer alten Erde. Die Frage ist, ob die Bibel tatsächlich behauptet, dass er es getan hat?

Wenn wir die Bibel in ihrem historischen und heilsgeschichtlichen Kontext betrachten, geht daraus nicht zwingend hervor, dass sie für eine buchstäbliche 7-Tage-Schöpfungswoche plädiert.

Da wir als Christen davon ausgehen, dass Gott sich sowohl in der Schrift als auch in der Natur offenbart, müssen wir bei dieser Frage auch die geologischen Daten berücksichtigen. Lassen wir den Bibeltext mal beiseite, deutet meines Erachtens alles auf eine alte Erde hin.

Natürlich sind damit nicht alle Fragen beantwortet – eher im Gegenteil. Folgende Fragen wollen weiterhin beantwortet werden, wie beispielsweise:

  • Waren Adam und Eva tatsächlich die ersten Menschen?
  • Was lehrt die Bibel über Dinosaurier?
  • Gab es den Tod schon vor dem Sündenfall?
  • Hat Gott durch Evolution geschaffen?
  • Was ist mit dem biblischen Sintflutbericht?
  • Und noch einige Fragen mehr.

Es ist und bleibt ein spannendes Thema, dass ich gerne in einigen weiteren Artikeln vertiefen möchte.


[1]  John MacArthur, Kampf um den Anfang, CLV: Bielefeld, 2003, S. 20.

[2]  Bruce K. Waltke, An Old Testament Theology, Zondervan, 2007, S.176.

[3]  Timothy Keller, Warum Gott? Vernünftiger Glaube oder Irrlicht der Menschheit, Brunnen: Gießen, 2018, S. 123.

[4]  Victor P. Hamilton, The Book of Genesis, Chapters 1-17, New International Commentary on the Old Testament, Eerdmanns, 1990, S. 55.

[5]  Michael Horton, The Christian Faith – A Systematic Theology for Pilgrims On the Way, Zondervan, 2011, S. 337-338.

[6]  Die folgende Tabelle habe ich der ESV-Studybible entnommen.

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